Deutschlandfunk-Interview mit eigener Transkription aus der Sendung Sport am Samstag vom 07. Juni 2025 um 19:25 Uhr. Das Gespräch mit Dr. Nakoinz führte Astrid Rawohl.
Transkript
0:03 Astrid Rawohl:
Keine Grillwurst mehr und auch kein Bier.
Der neue Hitzeschutzplan, den das Bundesgesundheitsministerium auch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für den Breitensport aufgestellt hat, empfiehlt beispielsweise Sportvereinen, bei Events im Sommer auf Alkohol, zuckerhaltige Getränke und Grillen zu verzichten, zum Schutz von Zuschauern und Sportlern.
Das kommt nicht überall gut an. Die einen wollen einfach nicht auf liebgewonnene Rituale verzichten, wiederum andere empfinden dies als übergriffige Einmischung.
Das Thema ist sicherlich emotional, dabei ist aber doch klar, dass jede Sportart sich künftig mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzen muss.
Deswegen habe ich die Ärztin Andrea Nakoinz angerufen. Die Anästhesistin ist Expertin für Hitzeschutz und berät Sportvereine und andere beim Thema Gesundheit.
Worum geht es Ihnen mit diesem Hitzeschutzplan vorrangig?
0:52 Dr. Andrea Nakoinz
Ja, also ganz initial, als wir den angefangen haben zu erstellen, ging es einfach darum, das Bewusstsein zu schärfen dafür, dass Hitze in eigentlich allen Sportvereinen schon jetzt ein wichtiges Thema ist.
Und wir sind darauf gekommen, weil mich eine Mutter angeschrieben hat am ersten Hitzeaktionstag und gesagt hat, mein Sohn hat jede Woche nach dem Fußballtraining Kopfschmerzen und muss sich übergeben. Und der trainiert immer in einer prallen Sonne und kann man da nicht was machen?
Am Ende Klimaanpassung beginnt im Kopf. Man muss erst mal verstanden haben, dass es ein Problem gibt. Und dann kann man auch entsprechende Maßnahmen ergreifen.
1:25 Astrid Rawohl
Und man muss verstanden haben, dass es um die eigene Gesundheit geht.
Welche Gefahren, auf die die Sporttreibenden, aber eben auch Zuschauer und Veranstalter künftig noch stärker achten müssen, gibt es denn für die Gesundheit bei Hitze?
1:37 Dr. Andrea Nakoinz
Ja, also ich sag mal, im allerschlimmsten Fall heizt man sich so weit auf, dass der Körper es nicht mehr schafft, diese Wärme abzugeben und dann kommt es zu einem Hitzschlag und daran sterben über die Hälfte der Menschen, die das haben. Und das möchte man natürlich nicht.
Der erste Fußballverein, den ich beraten habe, da habe ich dann mit den Vereinsmitgliedern gesprochen und gefragt, wer hatte denn schon mal so eine Problemsituation durch Hitze?
Und dann haben sie mir als erstes erzählt, dass tatsächlich auch schon mal einer von der älteren Herrenmannschaft tatsächlich einfach gestorben ist durch Hitze. Und da dachte ich, okay, das ist ja jetzt schon irgendwie verrückt, dass das keine größere Aufmerksamkeit hat. Aber natürlich stirbt nicht jeder sofort.
Ganz generell muss man einfach sagen, es gibt ganz vielfältige Auswirkungen, gesundheitliche Auswirkungen durch Hitze. Also es ist einmal so das, was einem irgendwie auch logisch vorkommt, ne?
Es ist anstrengend fürs Herz-Kreislauf-System. Es ist, wer schon nierenerkrankt ist, dann nicht genug trinkt, viel schwitzt, hat da einfach auch ein Risiko für die Niere.
Aber es hat zum Beispiel auch Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Die Selbstmordrate steigt an. Psychische Erkrankungen verschlechtern sich.
Und bei Schwangeren steigt zum Beispiel auch die Frühgeburtlichkeit und die Komplikationsrate bei Geburten.
2:40 Astrid Rawohl
Nachvollziehbar sind die Empfehlungen, sich mit Sonnenschutz einzucremen, ausreichend zu trinken, sich im Schatten aufzuhalten oder eben auch die Wettkämpfe frühmorgens oder abends, wenn es dann schon wieder kühler geworden ist, auszutragen.
Aber was soll denn der Verzicht auf alkoholische Getränke und Grillwürstchen bewirken?
2:56 Dr. Andrea Nakoinz
Also generell ist es so, dass Alkohol führt halt zum Beispiel dazu, dass man einfach mehr zur Toilette muss, mehr Wasser ausscheidet. Das heißt, man muss mehr Wasser hinterher trinken.
Und dann ist es natürlich so, auch Zuschauende sind in deutschen Sportstätten einfach nicht vor Hitze geschützt. Die sitzen in der Regel in der prallen Sonne, trinken dann viel Bier. Dann steigt bei Hitze per se auch noch zusätzlich das Aggressionspotential an.
Ja, man ist beim Sport eh schon häufiger aufgebracht und wenn man dann möglicherweise auch noch Alkohol dazu trinkt, ist das auch nicht besonders hilfreich.
Insofern ist es die Empfehlung, und die ist natürlich nicht in Stein gemeißelt, ja, niemand möchte irgendwas verbieten, sondern die Empfehlung, eher darauf zu verzichten und vor allem viel Trinkwasser anzubieten.
3:34 Astrid Rawohl
Viele Vereine, die jetzt ihre Turniere austragen, argumentieren beispielsweise, ohne einen Grill, ohne Grillwürstchen würden sie ja gar nicht alle sattbekommen.
Was sagen Sie denjenigen?
3:43 Dr. Andrea Nakoinz
Das ist ein Hitzeaktionsplan. Da geht es ja darum, was machen wir, wenn es besonders heiß wird? Die Empfehlung, darauf zu verzichten, ist für Hitzewarnstufe eins.
Wenn es über 32 Grad gefühlte Temperatur sind, das ist extrem unangenehm und das ist auch tatsächlich gesundheitlich bedrohlich für die Leute, die da noch am Grill stehen und sich noch mal zusätzlichen Hitze aussetzen.
Also das ist das eine Thema und das andere ist auch da, niemand möchte natürlich Grillen verbieten, weil es ist halt schon sinnvoll, sich logisch zu überlegen, okay, müssen es denn Bratwürste sein?
Oder kann man vielleicht auch was anbieten, was vielleicht ’n höheren Wassergehalt hat und was einfach nicht so schwer im Magen liegt, wenn es heiß wird, weil eben auch das einfach ’ne gesundheitliche Bedrohung darstellt.
Wir haben auch ’n Hitzeschutzkuchen zum Beispiel entwickelt, also ein Rezept für einen Kuchen, der schon auch lecker schmeckt, aber eben nicht schmilzt und einfach nicht so schwer im Magen liegt und dadurch die gesundheitliche Belastung nicht erhöht.
4:34 Astrid Rawohl
Ich kann mir jetzt schon vorstellen, dass die Anfragen kommen werden nach dem Rezept für den Hitzeschutzkuchen.
4:39 Dr. Andrea Nakoinz
Kann man mich gerne fragen, habe ich.
4:41 Astrid Rawohl
Ihr Hitzeschutzplan ist ja eine Empfehlung. Sie haben es schon angedeutet, für konkrete Hitzemaßnahmen und Aktionspläne sind andere zuständig.
Was müssen Ihrer Meinung nach, denn die Länder und Kommunen künftig vorrangig bedenken und auch mittel und langfristig auf den Weg bringen zum Schutz aller?
4:54 Dr. Andrea Nakoinz
Ja, also das Allerwichtigste ist natürlich, wir können uns nur bis zu einem gewissen Grad anpassen. Das heißt, alle müssen so viel Klimaschutz betreiben, und zwar so schnell und so doll, wie sie können.
Zusätzlich ist der Klimawandel aber jetzt einfach da. Die 1,5 Grad Erderwärmung haben wir erreicht. Das heißt, wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es heißer wird im Sommer, dass die Temperatur an sich steigt, dass die Hitzewellen länger dauern und dass es häufiger Hitzewellen gibt.
Das muss einfach überall mitgedacht werden. Wenn neue Dinge gebaut werden, muss einfach geguckt werden, wie ist es eigentlich?
Wir müssen uns von diesem bisher, wenn Dinge gebaut werden, von diesen, das Wichtigste ist, dass viel Licht reinkommt, davon muss man sich ein bisschen verabschieden, sagen, es muss natürlich Licht in Gebäude reinkommen, wenn man sie baut, aber es muss auch möglich sein, dass diese Gebäude irgendwie gekühlt werden und nicht total überhitzen und gleichzeitig gerade im städtebaulichen Bereich muss man einfach schauen, es muss viel mehr entsiegelt werden, weil versiegelte Flächen sich stärker aufheizen.
Wir brauchen mehr Grünanlagen, wir brauchen natürlich Schattenbäume. Ja, das! Die beste Klimaanlage sind Bäume und grüne Fassaden. Und natürlich muss man sich schon auch über Kühlung Gedanken machen.
Viele Klimaanlagen sind jetzt nicht besonders klimafreundlich. Es wäre aber jetzt utopisch und tatsächlich sehr unrealistisch, wenn ich jetzt sagen würde, man darf keine Klimaanlagen einbauen, sondern wenn man klimatisiert, muss man einfach schauen, wie kann man das schlau machen.
Und da ist zum Beispiel ein Aspekt, der ganz oft unterschätzt wird, dass ja in viele Kommunen jetzt ihre kommunale Wärmeplanung machen und man da auch an kommunale Kälteplanung denken sollten.
Also, weil wenn man zum Beispiel Erdwärme benutzt, die heizt im Winter, aber die kühlt halt auch im Sommer.